Amalgam-Ausleitung
Quecksilber und andere giftige Schwermetalle sammeln sich über Jahre in Nieren, Gehirn und anderen Körperteilen an. Sie loszuwerden, ist ein langwieriger Prozess. Amalgam- und MCS-Kranke brauchen vor allem eines: Geduld.
David Eppenberger aus Ermensee LU fand die Erklärung für seine Beschwerden erst nach einer zweijährigen Odyssee durch Arztpraxen. Der Körper des 32-Jährigen wehrte sich gegen das Quecksilber aus seinen Amalgam-Füllungen - mit Schwindelanfällen, Panikattacken und Depressionen. «Manchmal hatte ich sogar Schwierigkeiten beim Sprechen», erinnert er sich. Jetzt sollte das Amalgam verschwinden. Und zwar so schnell wie möglich. Eppenberger drängte. Vor neun Monaten liess er sich innerhalb von zwei Wochen alle Füllungen herausbohren.
Doch in den Wochen danach stürzte Eppenberger in eine neue Krise. Heute sagt er: «Ich habe die Folgen total unterschätzt.»
Durch das Ausbohren der Füllungen, das ja sehr schnell geschah, gelangte zusätzliches Quecksilber in seinen ohnehin empfindlichen Körper. «In den ersten Wochen nach der Sanierung war ich ständig am Rande eines Zusammenbruchs», sagt er. «Ich konnte kaum arbeiten.» Jetzt weiss er: Das Ausleiten von Quecksilber, das sich über Jahre im Körper anlagert, ist ein Geduldsspiel.
Eppenbergers Zustand ändert sich von Woche zu Woche. Phasen der Hoffnung wechseln mit neuen Panikattacken und Depressionen. «Manchmal zweifle ich, ob es nützt», gibt er zu. Doch er will durchhalten. Bis zum Verschwinden der Symptome dauere es selten länger als zwei Jahre, hat er von seiner Therapeutin erfahren. «Ein Jahr habe ich schon fast überstanden», macht sich Eppenberger Mut.
Das Ausleiten von Schwermetall ist ein junges Fachgebiet der Komplementärmedizin. Patienten haben oft Mühe, sich in den verschiedenen Methoden zurechtzufinden. Denn es gibt eine Vielzahl davon, die man zum Teil auch kombiniert anwenden kann. Das führt zu Meinungsverschiedenheiten unter Experten. «Ein Patentrezept gibt es nicht», sagt der deutsche Umweltmediziner Kurt Müller. «Jeder Patient hat andere Voraussetzungen. Deswegen muss der Arzt immer wieder neu entscheiden, welche Heilmittel er in welcher Dosierung anwenden kann.»
DMPS schwemmt das Quecksilber aus dem Körper
Ein Pionier ist der deutsche Toxikologe Max Daunderer. Er fand Mitte der 80er-Jahre heraus: Das Entfernen der Amalgam-Füllungen ist nur die halbe Lösung. Denn das Quecksilber lagert sich im Gehirn, in den Nieren und im zentralen Nervensystem ab. Erst wenn die Depots verschwinden oder zumindest verkleinert sind, gehen die Beschwerden zurück.
Daunderer entdeckte, dass die chemische Substanz 2,3-Dimercapto-Propan-1-Sulfonsäure (DMPS) die Fähigkeit besitzt, Quecksilber und andere schädliche Schwermetalle in grossen Mengen aus dem Körper zu schwemmen. Sie wird heute noch von vielen Ärzten benutzt, um Schwermetall-Belastungen zu messen und zu behandeln.
Weit verbreitet ist auch die orthomolekulare Methode
Ihr Prinzip: Quecksilber mit Hilfe von Vitaminen und Spurenelementen aus Zellen und Bindegewebe zu vertreiben und anschliessend auszuscheiden.
Im Zentrum dieses Ansatzes steht das Vitamin C. Viele Therapeuten geben es ihren Patienten in hohen Dosen. Dann ist es imstande, Quecksilber zu verdrängen und gleichzeitig die Krebs erregenden freien Radikalen zu bekämpfen, die das Quecksilber im Körper erzeugt. Der deutsche Experte Kurt Müller warnt allerdings: «Wenn man Vitamin C in zu hohen Dosen gibt, kann es selbst wieder freie Radikale erzeugen.»
Der heute populärste Ausleitungs-Experte ist der gebürtige Deutsche Dietrich Klinghardt. Er entwickelte Anfang der 90er-Jahre in den USA eine Therapie mit biologischen Substanzen. Im Mittelpunkt steht die Süsswasser-Alge Chlorella pyrenoidosa. Klinghardt entdeckte, dass sie Quecksilber und andere Metalle an sich binden und über den Darm ausleiten kann.
Er empfiehlt, Chlorella in einer mehrmonatigen Therapie gemeinsam mit Bärlauch, Koriander, Vitaminen und anderen natürlichen Substanzen einzunehmen.
Die Quecksilbermenge sei nicht entscheidend für den Zustand des Patienten, sagt der Umweltmediziner Kurt Müller. «Schliesslich gibt es auch Menschen, die schon von einem Glas Schnaps am Tag alkoholkrank werden.»
Müller behandelt seit 15 Jahren Amalgamkranke Patienten. «Es gibt Menschen, die gut, und andere, die schlecht entgiften», erklärt er. «Die einen können ihrem Körper mehr zumuten. Bei anderen muss man ganz langsam arbeiten.»
Extremfälle sind Patienten, die an Multipler Chemikalien-Sensitivität (MCS) leiden. «MCS-Patienten sind ja krank, weil ihr Entgiftungssystem komplett versagt», erklärt er. «Jede zusätzliche Giftlast während einer Ausleitung kann ihren Zustand gefährlich verschlechtern.» Gleichzeitig sei die Ausleitung aber wichtig, um MCS-Patienten langfristig wieder ein Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Müller rät Betroffenen, nur unter ständiger ärztlicher Aufsicht auszuleiten und höchstens einen Zehntel der üblichen Dosis einzusetzen.
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