Der Arzt im Holzfass
Viele Menschen kennen Sauerkraut nur aus der Dose. In Deutschland feingeschnitten und in den Varianten Champagnerkraut, Ananaskraut oder Apfelkraut zu haben, begleitet es edlen Räucherlachs genauso souverän wie deftige Bratwürste oder bayrische Leberknödel.
In Rumänien gehört das Krautfass, in dem die Köpfe im Ganzen in salziger, gewürzter Lake schwimmen, vor allem auf dem Lande noch zur standardmäßigen Ausstattung eines Kellers, der alles Überlebenswichtige für einen langen Winter aus eigener Produktion enthält. Als knackiger Salat angemacht, gebraten oder gedünstet genossen, garantiert es die Vitamin-C-Versorgung in der kalten Jahreszeit. Auch der Sauerkrautsaft nimmt hier wie dort einen festen Platz in der Naturmedizin ein.
Als Mittel zur Entschlackung und Entgiftung schützt er vor den meisten ernsthaften Krankheiten, oder unterstützt den Prozess ihrer Heilung. Von der Steinzeit bis in die Moderne begleitet uns Sauerkraut durch Keller und Küche. Neuen Ruhm erlangte es als Wundermittel gegen die Übersäuerung des Gewebes, Ursache zahlreicher Krankheiten vom Herzinfarkt bis zum Krebs.
Seit über 10.000 Jahren, also bereits in der Steinzeit, wurde Kohl im europäischen Raum kultiviert und – wie auch andere Gemüse – durch Vergärung in Salzlake für den Winter haltbar gemacht. In Rumänien hat die Gemüsevergärung immer noch Tradition. Neben Weißkraut legt man gerne bunte Gemische aus grünen Tomaten, Blumenkohl, kleinen Wassermelonen, Gurken, Mais, Sellerie, Meerettich und Karotten in riesigen Einmachgläsern ein, oft mit kunstvollen Gemüseschnitzereien dekorativ verziert.
Beliebt von Hippokrates bis Kolumbus
Eine Vielzahl historischer Dokumente erwähnt vor allem das Sauerkraut: Im vierten Jahrhundert vor Christus berichtet der griechische Arzt Hippokrates von seiner heilkräftigen Wirkung, beim Bau der chinesischen Mauer im 3. Jh. vor Chr. wurden die Arbeiter damit bei Leisten gehalten, Kolumbus (1451-1506) führte es in Holzfässern mit auf hoher See, als einzige Vitamin-C-Quelle gegen den gefürchteten Skorbut.
Skorbut galt lange Zeit als unheilbare Krankheit, die sich vor allem unter Schiffsbesatzungen, in Gefängnissen, Armenhäusern und auf Feldzügen wie eine Seuche ausbreitete und oft zum Tode führte. Durch die Beobachtung, dass der Verzehr von Sauerkraut vorbeugend und sogar heilend wirkte, wurde schließlich das Vitamin C als für den Menschen essenzieller Nahrungsbestandteil entdeckt.
Nur natürliche Bakterien im Einsatz
Die Vergärung, die das Kraut nicht nur haltbar macht, sondern auch seine gesundheitsfördernden Eigenschaften bewirkt, geschieht durch Milchsäurebakterien, die natürlicherweise auf den Blättern des Krautkopfes sitzen – dies allerdings nur bei ausgereiften Pflanzen. Der Kohlkopf sollte daher vor der Verwendung nur geputzt, niemals gewaschen werden.
Ausschließlich wilde Mikroorganismen produzieren den beliebten Sauerkrautgeschmack. Laborversuche mit künstlichen Kulturen führten zu keinem befriedigenden Aroma. Durch das beigefügte Salz verlieren die Zellen Wasser und Zellwände werden aufgebrochen.
Als Nährsubstrat für die Gärung dient den Bakterien der natürliche Zucker im Kraut. Daraus produzieren sie rechtsdrehende Milchsäure, sowie kleine Mengen an Apfelsäure, Zitronensäure und Essigsäure. Anfangs herrscht im Sauerkraut eine Mischflora aus Bakterien, Hefe und Schimmelpilzen. Nach und nach setzen sich jedoch im Gärprozess die Milchsäurebakterien durch. Der saure Ph-Wert sorgt dafür, dass krankmachende Erreger absterben und das wertvolle Vitamin C stabilisiert wird.
Sauer vergorenes Gemüse darf übrigens auf keinen Fall im Kupferkessel gelagert werden, weil Kupfer mit den Säuren giftige Verbindungen eingeht und Vitamin C durch Kupferionen zerstört wird.
Vitamine und Mineralstoffe satt
Neben letzerem enthält Sauerkraut die Vitamine A und E, beides starke Radikalfänger (Schutz vor Krebs, Allergien etc.), das Nervenvitamin B und das blutbildende Vitamin B12, das sonst nur in Bier und tierischen Nahrungsmitteln vorkommt.
Deshalb ist der Verzehr von Sauerkraut für Vegetarier besonders wichtig. Außerdem enthält es Folsäure, Zink, Kalium und Natrium. Neben sekundären Pflanzenstoffen wie Polyphenolen, Sulfiden und Glucosinolaten fanden Forscher insgesamt über 30.000 Inhaltsstoffe, welche die Kohlpflanze vor Umwelteinflüssen und Schädlingen schützen. Für den Menschen haben viele davon heilende und gesundheitsfördernde Eigenschaften.
„Darmbesen“ schützt sogar vor Herzinfarkt
Schon die Griechen wandten Sauerkrautwickel bei Verbrennungen, verunreinigten Wunden, Schmerzen und Schwellungen an. Der berühmte Chirurg Ferdinand Sauerbruch (1875-1951) beobachtete, dass Operationswunden schneller heilten, wenn die Patienten Sauerkraut verzehrten.
Der britische Arzt Knapp wies 1953 nach, dass Typhuserreger in Sauerkraut schon nach sechs Stunden absterben.
Gesundheitspfarrer Sebastian Kneipp (1821-1897) bezeichnete Sauerkraut als wirkungsvollen „Besen”, der den Darm reinigt und wieder in Schwung bringt. Für den Frühling empfahl er eine dreitägige Diät zur Umstellung auf leichtere Pflanzenkost in der warmen Jahreszeit, bei der vor jeder Mahlzeit ein paar Gabeln Sauerkraut roh verzehrt werden.
Die gesundheitsfördernde Wirkung des Sauerkrauts ist auch in der modernen Medizin längst bestätigt. So senkt es nachweislich erhöhten Cholesterinspiegel, ein starker Risikofaktor für Herzinfarkte und Schlaganfälle, weil seine Ballaststoffe im Darm Gallensäuren binden. Diese muss der Körper daraufhin neu aus Cholesterin bilden, womit sich die blutfettsenkende Wirkung erklärt.
Entschlackung und Entgiftung
Der mit der Sauerkrautvergärung anfallende würzige, anfangs leicht prickelnde Saft eignet sich zum Säuern von Suppen (ciorba), für Linsen- oder Bohneneintopf, oder kalt genossen als erfrischender, belebender Trunk. Wegen seines Reichtums an Milchsäure, Ballaststoffen, Vitamin C, Kalium und Natrium kann man damit hervorragend entschlacken. Die lebenden Milchsäurebakterien, die auch im gesunden Darm vorkommen, sorgen für eine leichtere und blähungsfreie Verdauung. Diese findet man allerdings nur in selbstgemachtem Sauerkrautsaft, da sie in handelsüblichen Getränken durch Pasteurisation abgetötet werden.
Obwohl Sauerkrautsaft die Darmentleerung fördert, ist er kein klassisches Abführmittel und kann daher bedenkenlos regelmäßig getrunken werden. Zu Beginn einer Fastenkur oder als Bestandteil des medizinischen Heilfastens reinigt er den Darm. Trinkt man dazu noch ein Glas Milch, räumt es selbst mit Obstipation geplagte Menschen meist gründlich durch. Auf keinen Fall sollte Sauerkrautsaft jedoch vor dem Frühstück getrunken werden, da die Säuren die Magenwand angreifen können! Am besten vorher eine Tasse Tee trinken und eine Kleinigkeit essen. Um damit abzunehmen, sollte man den Saft über mehrere Wochen täglich morgens und mittags zum Essen genießen (ca. 20 bis 100 ml pro Portion). Das Vitamin C darin schützt vor Infektionen und Erkältung.
Im Kampf gegen Krebs und Übersäuerung
Sauerkrautsaft wird wegen seines hohen Milchsäuregehaltes häufig im Rahmen alternativer Krebstherapien empfohlen. Da der Zusammenhang zwischen einer gesunden Darmflora und einem intakten Immunsystem mitterweile als erwiesen gilt, ist dies nicht weiter verwunderlich. Ein weiterer Grund ist der gewebeentsäuernde Effekt, der sich auch bei einer Vielzahl anderer Krankheiten günstig auswirkt.
Erkenntnissen des Biochemikers Dr. Johannes Coy zufolge schalten Krebszellen infolge eines Gendefekts (TKTL-1 Gen) ihre Mitochondrien ab, die in gesunden Zellen durch das Veratmen von Sauerstoff für die Energiegewinnung sorgen. Statt dessen produzieren sie Energie durch Vergärung von Zucker.
Als Folge entsteht Milchsäure, die sich im Gewebe ansammelt und dem Tumor einerseits durch Abtöten der umliegenden gesunden Zellen Raum zum Wachsen verschafft, andererseits angreifende Immunzellen außer Gefecht setzt und die Bildung von Blutgefäßen fördert, die ihn weiter ernähren.
Studien zeigen zudem einen klaren Zusammenhang zwischen erhöhtem Milchsäurespiegel im Gewebe und dem Auftreten von Metastasen.
Das Gewebe muss also dringend entsäuert werden – was paradoxerweise ausgerechnet durch die Aufnahme von Milchsäure in der Nahrung geschehen kann, denn wenn diese den Verdauungstrakt passiert, wird sie von Darmbakterien in den Krebshemmstoff Butyrat umgewandelt!
Dr. Coy empfiehlt daher in seiner Krebsdiät (www.krebsernaehrung.de) unter anderem die orale Zufuhr von 1,5 Gramm Milchsäure täglich durch teure Nahrungsergänzungsmittel. Im Vergleich dazu enthalten 300 Milliliter Sauerkrautsaft etwa zwei Gramm Milchsäure – und dies beinahe zum Nulltarif, wenn man sein eigenes Sauerkraut ansetzt!
Ein eigenes Krautfässchen ansetzen
Sauer vergorene Krautköpfe kann man hierzulande gelegentlich auf dem Markt erstehen – am besten schmeckt es jedoch selbstgemacht. Hierfür benötigt man ein kleines Fass (notfalls auch aus Plastik) mit Deckel, einen Schlauch oder ein Röhrchen zum Ventilieren und einen kühlen Ort im Keller oder auf dem Balkon, wo Gerüche nicht allzu sehr stören.
Zu den Weißkrautköpfen kann man auch grüne Tomaten hinzugeben, Mais, oder Sellerie- und Quittenstücke für ein besonders feines Aroma. Ein roter Krautkopf oder ein paar rote Rüben verleihen dem Sauerkrautsaft eine attraktive, rosa bis hellviolette Farbe. Unentbehrlich sind frische Meerrettichwurzeln, die dafür sorgen, dass das Gemüse nicht weich wird.
An Gewürzen empfehlen sich einige Esslöffel Senfkörner, mehrere getrocknete Dillstängel mit Blüte, ein Bund Bohnenkraut (frisch oder getrocknet), Weichselzweiglein und je nach Geschmack scharfe Pfefferoni, Pfefferkörner oder Knoblauch. Die Krautköpfe befreit man von welken Außenblättern, ohne sie zu waschen, sonst werden die Milchsäurebakterien weggeschwemmt!
Mit einem spitzen Messer wird der Strunk kegelförmig etwa einen Zentimeter tief ausgehöhlt und das Loch mit nichtjodiertem Steinsalz (ca 1 TL) gefüllt. Am besten eignet sich grobes Salz aus dem Dorfladen, speziell für eingelegtes Gemüse. Dann schichtet man die Krautköpfe mit dem Loch nach oben abwechselnd mit den übrigen Beigaben in das Faß und platziert auch gleich den Schlauch, der bis an den Grund reichen sollte.
Nun Deckel drauf und über Nacht im Keller ziehen lassen, damit das Salz ins Kraut eindringen kann. Dann wird die Lake zubereitet (Konzentration: 1 TL Steinsalz auf 1 Liter Wasser gelöst) und soviel davon ins Fass gegossen, dass die Krautköpfe vollständig bedeckt sind. Ein Teller, mit einem Stein beschwert, hält sie unter Wasser. Deckel drauf, über Nacht stehen lassen.
Danach zur Ventilation mehrmals kräftig in den Schlauch blasen. Der täglich zu wiederholende Vorgang beschleunigt die Fermentation und verhindert die Bildung von weißem Kahm (notfalls abschöpfen). Auf dem Balkon deckt man das Fass zum Schutz gegen Frost mit einer Decke zu. Für die Produktion von Sauerkraut eignet sich nur die kalte Jahreszeit, weil es sonst zu schnell fermentiert. Bis zum Frühling übrig gebliebene Köpfe kann man auch einfrieren, den Saft in Flaschen füllen und kühl lagern
.