Phytopherapie
In der Phytotherapie oder zu deutsch Pflanzenheilkunde (verwendet wird auch der Begriff Heilpflanzenkunde) werden Pflanzen, Pflanzenteile und deren Zubereitungen zu therapeutischen Zwecken verwendet. Die Phytotherapie zählt zu den ersten und ältesten Heilmethoden der Menschheit. So werden seit Jahrhunderten Pflanzen auf der ganzen Welt zu therapeutischen Zwecken eingesetzt, und ein umfangreiches sowie breitgefächertes Erfahrungswissen konnte über diese lange Zeit generiert werden. Historisch betrachtet gäbe es die heutige Schulmedizin nicht ohne die Phytotherapie.
Erst mit der rasanten Entwicklung der Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert, insbesondere durch die Fortschritte in der Chemie, konnten dank der Isolierung von pflanzlichen Reinsubstanzen und deren partialsynthetischen Abwandlungen neue chemisch-synthetische Substanzen entwickelt werden, wie sie heute in der modernen Schulmedizin vorwiegend eingesetzt werden.
Eine Vielzahl von Wirkstoffen, die heute eine grosse Bedeutung haben, stammen zumindest bezüglich ihrer Grundstruktur aus der Natur.
Aus Pflanzen gewonnene Reinsubstanzen gehören trotz ihres pflanzlichen Ursprungs nicht zur Phyto therapie, sondern werden der Schulmedizin zugeordnet. Pflanzliche Arzneimittel unterscheiden sich nämlich von den synthetischen Arzneimitteln dadurch, dass sie als arzneilich wirksamen Stoff anstelle einer chemisch exakt definierten Einzelsubstanz eine Pflanzenzubereitung enthalten, die aus vielen verschiedenen Substanzen, einem sogenannten Vielstoffgemisch, zusammengesetzt sind. Damit stellt in der Phytotherapie der Extrakt als Ganzes den Wirkstoff dar. In den meisten Fällen ist keine Einzelsubstanz allein für die Wirkung einer Pflanze verantwortlich. Erst das Zusammenspiel der Inhaltsstoffe einer Zubereitung führt zur beobachteten Wirkung.
Die Entwicklung der Naturwissenschaften ist nicht ohne Auswirkung auf die Phytotherapie geblieben. Mitte des 20. Jahrhunderts begann man, moderne analytische, pharmakologische und klinische Methoden heranzuziehen, um die pharmazeutische Qualität, die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von pflanzlichen Arzneimitteln naturwissenschaftlich zu belegen.
Um sich von der rein empirischen und rein erfahrungsmedizinisch begründeten
Pflanzenheilkunde, der «traditionellen Phytotherapie», abzugrenzen, wurde der Begriff
« rationale Phytotherapie» geprägt. In der Praxis ist aber diese scharfe Trennung zwischen traditionell und rational meist nicht möglich und durchführbar, zumal aus der Sicht der Mediziner und Patienten diese Unterscheidung für den therapeutischen Erfolg
keine Relevanz hat.
Auch wenn es sich bei den pflanzlichen Arzneimitteln um Vielstoffgemische handelt, können im Normalfall Hauptwirkstoffe und einige Nebenwirkstoffe, die mengenmässig auffallen, bezeichnet werden.
Die Kenntnis dieser Inhaltsstoffe lässt häufig Rückschlüsse auf das Wirksamkeitsprofil einer
Pflanze zu (gerbstoffhaltige Pflanzen werden beispielsweise bei Durchfallerkrankungen sowie bei juckenden, nässenden Hauterkrankungen eingesetzt).
Vorteile von Vielstoffgemischen
Pflanzliche Zubereitungen haben aufgrund ihrer komplexen Zusammensetzung nicht nur einen einzelnen Wirkmechanismus, sondern sie interagieren
mit ganz unterschiedlichen biochemischen Strukturen.
Demzufolge ist die Wirkung vielfältiger, als das von chemisch-synthetischen Präparaten bekannt ist, und unerwünschte Wirkungen treten deutlich seltener und weniger stark ausgeprägt auf. Dies liegt
auch daran, dass die wirksamkeitsmitbestimmende Inhaltsstoffe in den pflanzlichen Zubereitungen selten in so grossen Mengen vorkommen, dass sie toxische Effekte auslösen können. Die häufigsten Zubereitungsarten von Pflanzen bzw. Pflanzenteilen sind
mit Lösungsmitteln (meist Wasser und Alkohol/Wasser-Mischungen, gelegentlich auch Öle und unter Einsatz modernster Technik wie superkritische Gase oder Flüssigkeiten) hergestellte Extrakte.
Je nach Verfahren kann auf die phytochemische Zusammensetzung eines Extraktes dahingehend Einfluss genommen werden, dass die Wirkung, die Wirksamkeit und/oder die Verträglichkeit optimiertwerden (z. B. selektive Entfernung von unerwünschten
Substanzen).
Da von pflanzlichen Arzneimitteln eine hohe therapeutische Sicherheit erwartet und gefordert wird, kommen in der Phytotherapie generell eher mild wirksame pflanzliche Zubereitungen zum Einsatz, und dementsprechend sind heute der überwiegende
Teil der pflanzlichen Arzneimittel als rezeptfrei erhältliche Medikamente auf dem Markt.
Man findet sie vorwiegend (in Abhängigkeit der physikalischen Eigenschaften der einzelnen Zubereitungsarten) als Pulver, Granulate, Tropfen, Säfte, Lösungen, Kapseln, Tabletten, Brausetabletten, Dragées, Trinkampullen, Infusionen, Sprays, Pasten, Salben, Cremes
und Gele.
Dagegen sind Injektionslösungen mit phytotherapeutischen Zubereitungen nicht gebräuchlich.
Eine Erkrankung wird meistens nicht nur aufgrund der Veränderung eines biochemischen Faktors ausgelöst, sondern es handelt sich immer um ein multifaktorielles Geschehen. Die häufig beobachtete breite Wirksamkeit von pflanzlichen Arzneimitteln wird daher als Vorteil gesehen. Mit pflanzlichen Arzneimitteln kann meist gleichzeitig auf verschiedenen
Ebenen bzw. auf verschiedene biochemische Mechanismen Einfluss genommen werden.
Der Heilungsprozess Heilungsprozess dauert zwar unter Umständen länger
als mit chemisch-synthetischen Präparaten, aber dafür erfolgt die Heilung oft gründlicher und umfassender.
So kommt es zum Beispiel in der Dermatologie beim Einsatz von pflanzlichen Arzneimitteln
(wie z. B. Melissenextrakte beim Lippenherpes, Hamamelisdestillate bei Neurodermitis) zu weniger häufigen Rezidiven als unter einer Therapie mit chemisch-synthetischen Präparaten.
Pflanzliche Arzneimittel zeichnen sich meistens durch eine grosse therapeutische Breite aus. Der Wirkungseintritt ist im Vergleich zu chemisch-synthetischen Substanzen bzw. Einzelsubstanzen meist verzögert, d. h. er ist erst nach wiederholter bzw. längerer Anwendung und selten spontan beobachtbar (Ausnahme z. B. Pestwurz-Zubereitungen bei allergischer Rhinitis).
Daher werden pflanzliche Arzneimittel häufig symptomatisch und zur Linderung von
Leiden in «nicht-vitalen» Indikationen und bei leichten bis mittelschweren und mittelfristigen bis chronischen Erkrankungen, Beschwerden oder Befindlichkeitsstörungen sowie zur Prävention von Gesundheitsstörungen eingesetzt.
Für akute Situationen oder in der Notfallmedizin sind pflanzliche Arzneimittel mit wenigen Ausnahmen (z. B. Sennahaltige Präparate bei akuter Verstopfung) nicht geeignet.
Pflanzliche Arzneimittel werden generell als alleinige oder adjuvante Therapie mit Erfolg bei folgenden Indikationen eingesetzt:
Einsatzbereich der Phytotherapie
Eine Erkrankung wird meistens nicht nur aufgrund der Veränderung eines biochemischen Faktors ausgelöst, sondern es handelt sich immer um ein multifaktorielles Geschehen. Die häufig beobachtete breite Wirksamkeit von pflanzlichen Arzneimitteln wird daher als Vorteil gesehen. Mit pflanzlichen Arzneimitteln kann meist gleichzeitig auf verschiedenen
Ebenen bzw. auf verschiedene biochemische Mechanismen Einfluss genommen werden.
Der Heilungsprozess Heilungsprozess dauert zwar unter Umständen länger
als mit chemisch-synthetischen Präparaten, aber dafür erfolgt die Heilung oft gründlicher und umfassender.
So kommt es zum Beispiel in der Dermatologie beim Einsatz von pflanzlichen Arzneimitteln
(wie z. B. Melissenextrakte beim Lippenherpes, Hamamelisdestillate bei Neurodermitis) zu weniger häufigen Rezidiven als unter einer Therapie mit chemisch-synthetischen Präparaten.
Pflanzliche Arzneimittel zeichnen sich meistens durch eine grosse therapeutische Breite aus. Der Wirkungseintritt ist im Vergleich zu chemisch-synthetischen Substanzen bzw. Einzelsubstanzen meist verzögert, d. h. er ist erst nach wiederholter bzw. längerer Anwendung und selten spontan beobachtbar (Ausnahme z. B. Pestwurz-Zubereitungen bei allergischer Rhinitis).
Daher werden pflanzliche Arzneimittel häufig symptomatisch und zur Linderung von
Leiden in «nicht-vitalen» Indikationen und bei leichten bis mittelschweren und mittelfristigen bis chronischen Erkrankungen, Beschwerden oder Befindlichkeitsstörungen sowie zur Prävention von Gesundheitsstörungen eingesetzt.
Für akute Situationen oder in der Notfallmedizin sind pflanzliche Arzneimittel mit wenigen Ausnahmen (z. B. Sennahaltige Präparate bei akuter Verstopfung) nicht geeignet.
Pflanzliche Arzneimittel werden generell als alleinige oder adjuvante Therapie mit Erfolg bei folgenden Indikationen eingesetzt:
- Erkrankungen der Atemwegsorgane,
- chronische periphere arterielle und venöse Durchblutungsstörungen,
- Erkrankungen der Verdauungsorgane und andere Beschwerden im Gastrointestinaltrakt,
- Erkrankungen im Urogenitaltrakt,
- gynäkologische Beschwerden,
- psychovegetative Störungen,
- Krankheiten in der Pädiatrie,
- Hauterkrankungen,
- Herz- und Kreislauferkrankungen,
- rheumatische Erkrankungen und
- Schmerzsyndrome.
Phytotherapie mit naturwissenschaftlicher Evidenz
Für all diese Indikationsgebiete gibt es heute eine Vielzahl von klinischen Studien mit pflanzlichen Zubereitungen, von denen die neueren alle den Anforderungen
gemäss GCP entsprechen und dem Vergleich mit der Schulmedizin standhalten.
In einer umfassenden Studie (Nartey et al.) wurde dies vom renommierten Berner Institut für Sozial- und Präventivmedizin unter Leitung von Matthias Egger belegt: Die Qualität von 89 phytotherapeutischen Studien war tendenziell sogar eher besser als jene mit synthetischen Arzneimitteln bei der gleichen Indikation (Vergleich im matched-pair).
Ausserdem existieren verschiedene von offiziellen Organen (z. B. der European Medical Agency EMA und der WHO) erstellte und anerkannte Pflanzenmonographien mit
Angaben zum Einsatzgebiet und zur Indikation, die zahlreiche Fachexperten unter Sichtung des naturwissenschaftlichen Wissens und des traditionellen Erfahrungsmaterials erarbeitet haben.
Es darf trotz der Forderung nach einer streng naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise der Phytotherapie nicht ausser Acht gelassen werden, dass pflanzliche Arzneimittel für den Patienten neben ihren ihren stofflichen Eigenschaften und ihrer Wirkung auf der Befundsebene auch eine Wirkung auf der Befindensebene besitzen.
Die Phytotherapie hat also auch eine emotionale Komponente sowie psychophysiologische
Wirkungen und Wechselwirkungen.
Mit pflanzlichen Präparaten assoziieren die Patienten auch Arzneimittel, die unmittelbar aus der Natur stammen, weitgehend unschädlich und unbedenklich sind.
Viele Patienten fühlen sich durch pflanzliche Arzneimittel stärker angesprochen als durch
chemisch-synthetische Präparate. Das äussert sich in einer höheren Compliance im Vergleich zu chemischsynthetischenPräparaten.
Insofern lohnt es sich für jeden Mediziner, sich mit der Phytotherapie auseinanderzusetzen.
Sie passt durchaus zur modernen Medizin.
Literatur
– ESCOP 2003, Supplement 2009. European Scientific
Cooperative on Phytotherapy. Monographs of Herbal
Medicinal Plants The Scientific Foundation for Herbal
Medicinal Products, 2nd ed., Stuttgart, New York:
ESCOP Thieme Verlag. www.escop.com
– Fintelmann V, Weiss RF. Lehrbuch der Phytotherapie.
Stuttgart: Hippokrates Verlag; 2003.
– Hänsel R, Sticher O. Pharmakognosie – Phytopharmazie.
Berlin, Heidelberg, New York: Springer-Verlag;
2004.
– HMPC-Monographien, www.ema.europa.eu → Find
medicines
– Loew D, Rietbrock N (Hrsg.):Phytopharmaka in
Forschung und klinischer Anwendung. Band I bis IV.
Darmstadt: Steinkopff Verlag; 1995–2000.
– Nartey L et al. Matched-pair study showed higher
quality of placebo-controlled trials in Western
phytotherapy than conventional medicine.
J. Clin. Epidemiol. 2007;60:787–94.
– Saller R, Reichling J, Hellenbrecht D. Phytotherapie.
Klinische, pharmakologische und pharmazeutische
Grundlagen. Heidelberg: Haug-Verlag; 1995.
– Schulz V. Pflanzliche Arzneimittel und evidenzbasierte
Medizin. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung
– Gesundheitsschutz. 2003; 46:1080–5.
– Wagner H, Wiesenauer M. Phytotherapie. Stuttgart:
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2003.
– WHO. World Health Organisation monographs on
selected medicinal plants. 1999; Vol. 1. WHO.
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medicinal plants. 2002. Vol. 2.
– Wichtl M (Hrsg.). Teedrogen und Phytopharmaka.
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– Wiesenauer M, Kerckhoff A. Phytopraxis. Berlin,
Heidelberg: Springer Verlag; 2003.
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